Atemformanalyse

Atme in Deiner Form

Kennst Du das? Du sitzt vor einem Bildschirm und der Nacken spannt. Die geläufige Reaktion darauf ist Ärger oder Unzufriedenheit. In der Regel über sich selbst; dass man nämlich die Bildschirmarbeit als ursächlich für diese Verspannungen und die eigene Unfähigkeit, etwas anderes zu tun, kritisiert. Doch was wäre, wenn der Bildschirm nichts damit zu tun hätte, sondern nur das eigene Verhalten? Richte doch mal die Aufmerksamkeit auf die eigene Ausrichtung, die persönliche Einstellung und die Art und Weise, wie man den Kopf gegenüber dem Bildschirm positioniert.

Tatsächlich wissen die wenigsten Menschen, dass jeder unterschiedliche biomechanische Voraussetzungen mitbringt, eine unterschiedliche Form des Körpers, die entsprechend individuell angesprochen werden will. Wo also nicht der Bildschirm an sich, sondern der Blickwinkel auf diesen entscheidend wird.

Lass uns dazu ein Experiment machen mit der Frage: Unter oder über dem Horizont?

Setze Dich vor einen Computer-Bildschirm oder bloß an einen Tisch und stell Dir dabei vor, Du säßest vor einem Computer. Wo steht der Bildschirm, wie blickst Du auf diesen? Achte dabei auf das Gelenk, das den obersten Halswirbel mit dem Schädel verbindet. Stelle es zunächst dergestalt ein, dass der Blick gerade aus nach vorne geht. So dass die Augen dem Schädel folgen und nicht mitbewegt werden müssen. Dies ist die Mittelposition oder sogenannte Nullstellung. Jetzt probiere in diesem Gelenk, dass die Wirbelsäule und den Schädel miteinander verbindet, Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen aus, so dass der Blick dann automatisch nach unten oder oben fällt. Spiele damit und mache Dir bewusst, dass Du in diesem Gelenk den Blickwinkel einstellen kannst, der zum Bildschirm führt.

Welcher Winkel ist Dir am Liebsten, wohin schaust Du bevorzugt?

Probiere dann bewusst die folgenden zwei Optionen aus. Erstens: richte die Wirbelsäule auf, hebe leicht den Brustkorb und neige den Kopf im Hals-Schädel-Gelenk leicht nach hinten, so dass Du ein paar Grad über den Horizont blicken kannst.

Frage Dich dann: wie lässt es sich mit einer Blickrichtung knapp über den Horizont einatmen? Und wie lässt es sich ausatmen?

Option Zwei: Fixiere den Brustkorb und gebe das Gewicht an den Stuhl ab. Dann beuge das Hals-Schädel-Gelenk leicht nach vorne, so dass Du ein paar Grad unter den Horizont blicken kannst.

Wie atmet es sich mit dieser Blickrichtung ein? Und wie aus? Kannst Du spüren, welche Auswirkungen Dein Blickwinkel auf den Monitor für die Atmung hat, welche Position für die eine Form der Atmung förderlich und für die andere hinderlich ist? Und kannst Du auch wahrnehmen, welche der beiden Positionen für Dich angenehmer, natürlicher und leichter zu sein scheint?

Worüber wir sprechen, ist keine Sache des Spürens, sondern der Körper-Physik. Wird der Hinterkopf leicht nach hinten geneigt, werden die Muskeln, die der Weitung im Brustbereich Raum geben, angesprochen – die Einatmung gelingt leichter. Wird hingegen der Kopf leicht nach vorne geneigt, das Kinn Richtung Brustkorb gedrückt, behindert dies die Einatemmuskulatur, fördert stattdessen die den Rumpf verengenden Ausatemmuskeln, so dass die Ausatmung leichter gelingt.

Warum ist es wichtig zu wissen, welche Auswirkungen die Kopfposition auf die Atmung hat? Weil jeder Mensch eine bestimmte Atmung bevorzugt – und dementsprechend seinen Körper darauf einstellen sollte. Lebe ich formgerecht, stellen sich Gesundheit und Wohlbefinden ein. Warum sollte man überhaupt wider seiner vorgegebenen Form leben? Die Natur hat doch gar nicht vorgesehen, dass man gegen die eigene Körperkonstitution, gegen die persönlichen Voraussetzungen des Lebens intrigiert. Gleichwohl sind Menschen aufgrund ihrer Willkür dazu in der Lage. Dies geschieht zumeist unbewusst, dafür aber umso häufiger: „Atme in den Brustkorb“; „Atme immer in den Bauch!“; „Halte den Nacken lang, ziehe das Kinn leicht zur Brust!“; „Trinke so und so viel Liter Wasser am Tag“. Diese „Befehle“ oder „Anweisungen“ werden in der Kindheit nur widerwillig befolgt, doch im weiteren Verlauf der Entwicklung, besonders im Jugend- und Erwachsenenalter, sind Menschen bereit, derlei Anregungen zu befolgen – wider besseren Empfindens und wider besseren Fühlens.

Deswegen kann man mit dem Wissen der Atemformen einfache und praktische Hinweise geben, welches Verhalten sich bei welcher Form anbietet, was für den einzelnen Menschen genau das Richtige, das Optimale ist. Vielen dieser Hinweisen folgt man bereits automatisch, ohne Wissen darüber zu besitzen. Es ist in dem Fall die logische Folge der eigenen Konstitution, die nicht gestört wurde. Die meisten Menschen realisieren aber auch, dass sie bestimmte, schädliche Verhaltensweisen zu früheren Zeiten ihres Lebens nur ungern oder besonders unbewusst übernommen haben.

Genau daran werden wir arbeiten. Und Du wirst davon profitieren. Du lebst und bewegst Dich in einem Körper, dessen Erfolg die vollständige Wertschätzung der eigenen Konstitution ist. Der größte Gewinn, den es für einen sich bewegenden Menschen gibt.

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